Als Historiker und Modedesigner habe ich großes Interesse am kulturellen Erbe in der Modeproduktion. Meine Liebe gilt besonders traditionellen Materialien, Handwerkstechniken und Bekleidungskonzepten.

Das Skarabeos Designstudio liegt in unmittelbarer Nähe zum oberen Mühlviertel, das bis zur Mitte des 19. Jh.s ein bedeutendes Zentrum der Leinenproduktion war. Dadurch habe ich Zugang zu einer der ältesten  Kulturpflanzen in der Geschichte der textilen Produktion und eine großartige Inspiration für meine Arbeit. So ist etwa das Skarabeos Hemd aus einer Leinen/Hanf-Mischung gearbeitet, die in der Mühlviertler Leinenweberei Vieböck gewebt wird – ein Unternehmen mit knapp 200 Jahren Tradition.

Kultureller Heritage

Die Leinenweberei Vieböck wurde 1832 in Helfenberg im Mühlviertel gegründet. Zu einer Zeit, als die Bauern in Oberösterreich Flachs anbauten und die Leinenweberei zu den wichtigsten Handwerkszweigen zählte. In der Blütezeit des Leinenhandels – von Ende des 17. Jh.s bis Mitte des 19. Jh.s – hatte Leinen aus Oberösterreich weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Mit der Elektrifizierung der mechanischen Webstühle und dem Import von Baumwolle brach der Leinenmarkt ein und viele Webereien mussten schließen. 1990 folgte die Auslagerung der Textilproduktion in Niedriglohnländer, die nur wenige Mühlviertler Leinenwebereien überlebten. Seit 2003 engagiert sich das Textile Zentrum Haslach, die traditionelle Kulturtechnik neu zu beleben und wurde 2016 in das internationale UNESCO Register guter Praxisbeispiele für die Erhaltung des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Langlebig und schön

Vieböck hielt seine Stellung als Familienunternehmen über sechs Generationen. 1992 wurde die Leinenweberei vom langjährigen Verkaufsleiter Johann Kobler übernommen und wird mittlerweile von seinem Sohn Christoph Kobler geführt. Seither wurde die Produktion mit den zwei Biogütezeichen GOTS und IVN BEST zertifiziert, um sicherzustellen, dass die gesamte Lieferkette höchstmöglichen ökologischen und sozialen Standards gerecht wird. Die herausragende Qualität der Stoffe basiert auf langstapeligen Fasern, die im Verzwirnen eine besonders glatte Oberfläche ergeben. Dadurch sind sie ausgesprochen robust und behalten lang ihre Schönheit. Das ist insofern wichtig, als Kleidungsstücke nicht nur durch das Tragen mechanisch beansprucht werden, sondern auch durch das Waschen und Bügeln.

Natürliche Funktionen

Das Skarabeos Hemd ist aus einer Leinen/Hanf-Mischung gewebt. Der Hanfanteil macht das Gewebe noch stabiler und reißfester. Was diese Fasern so besonders macht, ist die natürliche Funktion der Atmungsaktivität – eine Eigenschaft, die man modernen Fasertechnologien zuschreiben würde. Aber Hanf und Leinen zählen zu den ältesten Textilfasern – in der Dzudzuana-Höhle in Georgien wurden 2007 aus einer Bodenschicht Fasern geborgen, deren Alter auf 36.000 bis 31.000 Jahre (yr B.P. ka) datiert wurde. Atmungsaktiv bedeutet, dass die Faser die Fähigkeit hat, Feuchtigkeit von der Haut aufzunehmen und rasch an die Umgebung abzugeben. Dadurch liegt das Gewebe stets trocken auf der Haut. Experten sprechen von ‚einer sanften Umarmung‘. Bei hohen sommerlichen Temperaturen wirkt die Leinen/Hanf-Mischung angenehm kühlend, schafft aber – als Basisschicht – das ganze Jahr hindurch ein angenehmes Körperklima.

Asiatisch inspiriert

Das Konzept zum Skarabeos Hemd ist von traditioneller asiatischer Kleidung inspiriert. Es ist lose geschnitten und hat eine T-Form, die durch die angeschnittenen Ärmel entsteht. Funktionelle Details sind der Stehkragen und die Knopfleiste. Wesentlich im Hinblick auf den Tragekomfort ist, dass es nicht körpernah geformt ist, sondern lose und dadurch einen skulpturalen Charakter hat. Gleichzeitig entsteht eine Luftschicht zwischen Haut und Stoff, die Ventilation ermöglicht und die natürliche kühlende Wirkung der Faser noch unterstützt.

In seiner neutralen Konstruktion könnte das Hemd von allen Geschlechtern getragen werden. Eines der Skarabeos Prinzipien ist es jedoch, dynamische und funktionale Anforderungen mit dem ästhetischen Erscheinungsbild des Produktes zu verbinden. Deshalb gibt es zwei Ausführungen: Die Variante für Männer hat eine gerade Form und etwas mehr Raum in den Schultern. Die Variante für Frauen ist leicht antailliert und mit Brustabnähern gearbeitet.

Nachhaltige Produktion

Wir schätzen die Nähe zum Mühlviertel und zur Leinenweberei Vieböck nicht nur wegen des kulturellen Heritage, sondern auch, weil es uns ein lokales Sourcing ermöglicht. Dadurch können wir Transportwege und damit CO₂-Emissionen einsparen. Hanf und Leinen sind ökologisch, nachhaltig und klimafreundlich im Anbau und die Zertifizierungen von Vieböck stellen sicher, dass die gesamte Produktionskette nachhaltig ist. Der Global Organic Textile Standard (GOTS) ist ein weltweit anerkanntes Textilsiegel, das Zertifizierungen erst dann vergibt, wenn Hersteller klar definierten Kriterien hinsichtlich Umwelt und Sozialem gerecht werden. Die Zertifizierung IVN BEST umfasst ebenfalls die ökosozialen Aspekte entlang der gesamten Produktionskette, stellt jedoch den Standard mit dem derzeit maximal realisierbaren ökologischen Niveau dar.

Fotocredits:

Bild 1: Vieböck/ Fredmansky

Bild 2: Skarabeos/ Elisabeth Grebe

Bild 3: Vieböck/ Fredmansky

Bild 4: Vieböck/ Fredmansky

Bild 5 und 6: Skarabeos/ Elisabeth Grebe

Bild 7: Vieböck/ Fredmansky