In den vergangenen Monaten habe ich an einer Kooperation mit der Künstlerin Gudrun O‘Neel gearbeitet. Sie ist eine autodidaktische Künstlerin, die Skulpturen, Druckgrafiken und Zeichnungen fertigt. Gudrun lebt im Salzkammergut.
Entstanden sind ein Hemd und ein Kaftan aus Leinen, die Gudrun O‘Neels Druckgraphiken aus der Serie Rhythmus tragen. Es sind abstrakte Darstellungen schöpferischer Kräfte, die von der Musik von Sergei Rachmaninoff inspiriert sind.
Rhythmus und das Weibliche als Ursprung der schöpferischen Kraft
Gudrun O’Neels Werke sind getragen von einem Ausdruck von Entfaltung und Befreiung. Eines der großen Themen, die sie verfolgt, ist der Rhythmus. Wobei sie den griechischen Begriff Rhythmos im Sinne einer fließenden Bewegung interpretiert – aus der die Fülle der Lebendigkeit hervorgeht. Als Metapher nennt sie die Handbewegung im Wasser. Die sanften Wellen, die dabei entstehen lassen den Rhythmus und seine universelle Wirkung sichtbar werden.
Zugleich sieht sie im Rhythmus aber auch ein weibliches Element, das für sie Ursprung der schöpferischen Kraft ist. Zitat: „Aus einer gelebten Verbindung mit dem Rhythmus eröffnen sich uns die ursprünglichen weiblichen Qualitäten wieder – für ein neues und ausgereiftes Zusammenwirken in sämtlichen Bereichen unserer Zeit.“
Gudrun O´Neel und Emilie Flöge
Als ich mit Gudrun das Konzept für unsere Kooperation entwickelt habe, entdeckten wir Parallelen zur Modeschöpferin, Künstlerin und Geschäftsfrau Emilie Louise Flöge (1874-1952). Sie propagierte im Fin de Siecle das Reformkleid, das Frauen vom schweren Rock und dem einengenden und gesundheitsschädlichen Korsett befreien sollte.
Um eine Befreiung im ähnlichen Sinne geht es auch für Gudrun O’Neel. Sie möchte alle Menschen – und vor allem Frauen – dazu anregen, die weibliche Kraftquelle des Rhythmus wieder wahrzunehmen, den eigenen Wert zu erkennen, die wahre Bestimmung zu entfalten und sich sichtbar zu machen.
Das Künstlerkleid um 1900
Emilie Flöge führte zwischen 1904 und 1938 gemeinsam mit ihren zwei Schwestern den Haute Couture-Salon Schwestern Flöge in Wien. Um 1900 wurde Mode zum Synonym für die Emanzipation der Frau und weckte das Interesse der Kunstszene. Künstler wie Josef Hoffmann, Sonja Delaunay und Henry van de Velde begannen mit der Gestaltung von Frauenkleidern zu experimentieren. In der Reformbewegung war das Künstlerkleid Teil der Idee des Gesamtkunstwerks und Synonym für die körperliche und gesellschaftliche Emanzipation der Frau. Emilie Flöge konnte sich im Netzwerk der Wiener Werkstätte und der Secession etablieren und war Teil dieser Bewegung. Ihr Salon war von Künstlern der Wiener Werkstatte gestaltet und Gustav Klimt entwarf Reformkleider für sie.
Typisch für die radikal neue Silhouette waren A-Linie, Volants, aufwändige Ärmelkonstruktionen sowie gemusterte oder bestickte Stoffe. Für ihre Dessins und Motive inspirierte sich Flöge an textiler Volkskunst, die sie auch sammelte. Die Exponate waren vorwiegend aus dem zentraleuropäischen Raum. Sie hatte aber auch ein Faible für traditionelle asiatische Motive.
Emilie Flöge im Salzkammergut
Emilie Flöge war Muse und Lebensgefährtin von Gustav Klimt. Das Paar war sich gegenseitig künstlerische Inspiration und verbrachte die Sommer des frühen 20. Jh.s gemeinsam am Attersee. Dadurch wurde die Region zur wichtigen Wirkungsstätte für Klimt, der hier an die 50 Landschaftsbilder malte. Im Garten der Villa Oleander entstand auch eine Serie von Aufnahmen, auf denen Emilie Flöge ihre jüngste Modekollektion präsentierte. Diese wurden in der Ausgabe 1906/07 der damals sehr bekannten deutschen Zeitschrift ‚Kunst und Kunsthandwerk‘ publiziert.
Bei seinen Freizeitaktivitäten im Salzkammergut trug das Künstlerpaar Kaftan – und auch das inspirierte meine Zusammenarbeit mit Gudrun O‘Neel. Das unkonventionelle Kleidungsstück lässt sich nahtlos in die Gegenwart und den zeitgenössischen Genderdiskurs transferieren. Als Designer schätze ich am Kaftan seine skulpturale Art, der einen perfekten Hintergrund für die Druckgraphiken bietet. Gudrun O’Neel schätzt „die freie Form des Kaftans, der einen neuen Rhythmus aus dem Inneren heraus in die Welt tragen kann“.
Mindful Luxury
Skarabeos war in der Kooperation der ausführende Teil. Aber auch ich kann mich mit der Zeit der Wiener Werkstätte identifizieren. Der von mir geprägte Begriff Mindful Luxury geht mit dem Arbeitsprogramm der revolutionären Künstlervereinigung des beginnenden 20 Jh.s konform: Wie die Wiener Werkstätte verfolge auch ich das Prinzip less is more und strebe nach Produkten mit außerordentlicher Eigenständigkeit und Schönheit.
Über Gudrun O’Neel
Die Werke der Künstlerin waren bereits in einer Reihe von Ausstellungen im In- und Ausland zu sehen. Unter anderem waren dies die virtuelle Ausstellung Female Origins im Museo de las Mujeres in Costa Rica sowie das Projekt Thousand of Sprouts / A global Action of Love in Chaotic Times in Mexiko, das Elizabeth Ross kuratierte. In der Ausstellung TheFACE2019 in La Galleria Pall Mall, London wurde ihr Beitrag von der Society of Portrait Sculptors ins Finale gewählt.